In den Sommerferien hatte ich die Gelegenheit, zwei Wochen bei einer Gastfamilie in Montreal zu verbringen. Es war das erste Mal, dass ich ein Land auf der anderen Seite des „Großen Teichs“ besucht habe und dementsprechend fand ich schon den transatlantischen Flug spannend. Diesen allerdings musste ich tatsächlich ganz alleine bewältigen, da niemand anderes zum selben Termin wie ich unterwegs war. In den richtigen Flieger steigen, Dokumente ausfüllen, offiziell einreisen, alles ohne fremde Hilfe. Sobald man es aber tatsächlich bis in die Schule, das Dawson College, geschafft hat und dort von LSC betreut wird, ist es schlagartig vorbei mit der Selbstständigkeit. Das Programm ist strikt durchorganisiert, das Nachmittagsprogramm immer Pflicht. Nach dem Unterricht gibt es eine kurze Mittagspause, dann muss man sich den Monitors (wie die Betreuer genannt werden) anschließen und an den „Activities“ teilnehmen, deren Inhalt zwar abwechslungsreich, aber dadurch eben auch nicht immer gleich interessant war. Eine Stunde Unterricht im Spielen von Buschtrommeln, ein Kinonachmittag, eine Schauspielstunde sind beispielsweise Aktivitäten, die einen Schüler bei LSC erwarten. Das eigentlich Faszinierendste an den Aktivitäten sind aber ihre internationalen Teilnehmer. Die Deutschen stellen zwar meist eine recht große Gruppe, aber auch viele Südamerikaner (insbesondere aus Venezuela) sind dabei, außerdem waren Franzosen, Saudi- Arabier, Amerikaner, Japaner, Niederländer und Russen in meiner Gruppe zu finden. Besonders im Unterricht ist das eine interessante Erfahrung, da es eben nicht so ist wie bei vielen anderen Sprachreisen, dass man sein Englisch ausschließlich dem Lehrer gegenüber anwendet, sondern dass man tatsächlich mit Gleichaltrigen anderer Kulturen durch sein Englisch in direkten Kontakt treten und so viel über die entsprechenden Länder erfahren kann. Tatsächlich habe ich über Kanadische Kultur selber gar nicht so viel gelernt. Vielleicht gibt es die im sehr internationalen Montreal auch gar nicht. Der Mann, der mich vom Flughafen abholte, erzählte mir begeistert von seiner Heimat Portugal, mein Englischlehrer von seinen irischen Verwandten und davon, dass er eigentlich am liebsten in Korea arbeitet, die Frau, die mit mir den mündlichen Einstufungstest machte, erwähnte ihre Heimat Zypern und meine Gastfamilie stammte aus Indien. Über indische Kultur habe ich deswegen wahnsinnig viel erfahren. Angefangen beim Essen (mit extra wenig scharf für mich) über Gebräuche im Haus („Huch, Hakenkreuze überall?“ – „No shoes!“) bis hin zu religiösen Zeremonien der Hindus. Am Wochenende hatte ich Gelegenheit, mit meiner Familie und ihren indischen Verwandten und Bekannten einen Ausflug in ein in der Nähe von Montreal gelegenes Ashram- Zentrum zu machen und dort zu picknicken. Dieses Zentrum ist ein Treffpunkt für Yogis aus aller Welt (hier habe ich gehört, wie sich zwei Leute auf Deutsch unterhielten) und war für mich mit seiner friedlichen und fremden Atmosphäre ein eindrückliches Erlebnis. Wenn man den Mut hat, sich von dem festgelegten Programm bei LSC zu lösen und seine freie Zeit konsequent nutzt, um eigene Aktivitäten zu entwickeln, für den ist Montreal eine Wundertüte. Die Stadt hat einen eigenen Freizeitpark, besonders bei Dunkelheit hat man von der hohen Achterbahn aus einen wundervollen Blick auf die Montrealer Skyline, es gibt zahlreiche Festivals aller Art und man kann auch ohne LSC Städtetrips unternehmen, Reisegesellschaften gibt es genügende in Montreal. Alles in allem kann man sehr viel aus einer Reise nach Montreal herausholen, wenn man Engagement zeigt und sich nicht nur auf das festgelegte Programm verlässt. Was die Verbesserung der Englischkenntnisse anbelangt, ist die Reise auf jeden Fall sehr empfehlenswert, da Englisch hier wirklich ein universaler Schlüssel zum Verständnis vieler neuen Welten ist. Isabell